Tantner, Anton: Ordnung der Häuser, Beschreibung der Seelen. Hausnummerierung und Seelenkonskription in der Habsburgermonarchie. (=Wiener Schriften zur Geschichte der Neuzeit; 4). Innsbruck/Wien/Bozen: Studienverlag, 2007. 296 S. 34,90 Euro
ISBN 978-3-7065-4226-5

 

Rezensionen

Kurzbeschreibung

Die vorliegende Arbeit behandelt die Geschichte der Hausnummerierung und der Volkszählung in der Habsburgermonarchie und wurde 2005 mit dem Michael-Mitterauer-Preis füür Gesellschafts-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte (Förderungspreis) ausgezeichnet. Im Zentrum steht dabei die Einführung der Hausnummerierung und "Seelenkonskription" in den westlichen Ländern der Monarchie in den Jahren 1770-1772. Besondere Beachtung finden dabei die immensen Schwierigkeiten, mit denen die Kommissare bei der Durchführung ihres aufwändigen Geschäfts zu kämpfen hatten. Fragen der Papierproduktion rücken damit ebenso in den Vordergrund wie Fragen der Benennung der Subjekte und Ortschaften, Probleme der Klassifikation der Subjekte sowie der Definition der Nummerierungseinheit "Haus". Das Ziel der Arbeit ist die "Entfamiliarisierung", das heißt das Aufweisen des Kontingenten, zuweilen auch Lächerlichen von Ordnungsystemen, womit Anregungen zu der immer wieder aufflammenden Diskussion um die Sinnhaftigkeit von Volkszählungen, biometrischen Daten, Bürgerkarten usw. gegeben werden.

 

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 9
I. Rückblicke und Seitenblicke 11
I.0. Material, Historiographie und Methode 11
I.0.1. Das historische Material 11
I.0.2. Von der Datenpublikation zur Analyse der Klassifikation: Zur Historiographie der österreichischen Volkszählungen 17
I.0.3. Zur Methode 20
I.1. Experimentierfelder für Registrierungstechniken 22
I.1.1. Konskriptionen zur Sortier- und Skartierung der Juden 22
I.1.2. Gegenreformatorische Bevölkerungsaufnahmen 26
I.1.3. Hofeinquartierung, policeyliche Hausbeschreibungen und Hausnummerierung: Wien, Prag, Triest 28
I.2. Die Mühen der Regelmäßigkeit 34
I.2.1. Die Seelenkonskriptionen von 1753-1761 34
I.2.2. Hohe Ansprüche in einem Jahrzehnt der Statistik: Die Reform von 1762 42
I.2.3. Schuldensteuer und Hausnummerierung 48
I.3. Konskriptionen und Hausnummern anderswo 58
I.3.1. Ungarn, Tirol und Vorderösterreich 58
I.3.2. Von Madrid bis Venedig: Triumph der Hausnummern 61
II. Das Geschäft, eine machine: 1770-1772 67
II.1. Eine konzertierte Aktion 67
II.1.1. Obrazivost, 15./16. November 1770 67
II.1.2. Der Feder-Krieg um die Einführung des Konskriptionssystems 69
II.1.3. Der Instanzenweg der Seelen 77
II.1.4. Das Vorwissen der Behörde: Extrahierung der Kirchenbücher 81
II.2. Adressierung, Parzellierung und Materialität des Mediums 86
II.2.1. Produktion und Formatierung des Datenträgers 86
II.2.2. Parzellierung des Raums: Die Einrichtung der Nummerierungsabschnitte 88
II.2.3. Der wahre Name: Benennung der Orte, Benennung der Seelen 95
II.2.4. Die Farbe der Hausnummern 100
II.2.5. Wegweiser, Ortsschilder und das Problem der Communicationen 104
II.3. Die Subjekte 109
II.3.1. Das Personal: Aufstellung, Bezahlung und Arbeitsbedingungen 109
II.3.2. Agenten im Dorf 114
II.3.3. Die Registrierten: Befragung des Volcks 116
II.4. Die Krux der Klassifikation 120
II.4.1. Was ist ein Haus? 120
II.4.2. Männliches, weibliches, jüdisches Geschlecht? 123
II.4.3. Die Hausnummer des Hermaphroditen 128
II.4.4. Jüdische Seelen und Juden Häuser 129
II.4.5. Weitere Merkmale: Alter, Qualification, Sprache 131
II.4.6. Bewegung, Migration und Klassifikation: Der Versuch der Stillstellung der Zeit 132
II.5. Widerstand und Aneignung 138
II.5.1. Renitente Adlige und maulende Mönche 138
II.5.2. Die widrigen Begriffe des Volcks 139
II.5.3. Aneignung: Die Klagen des Volcks und der Gebrauch der Hausnummern 150
II.6. Lokales und Finales 153
II.6.1. Die Anmerkungs-Zugabe 153
II.6.2. Von Böhmen bis Krain: Lokale Eckdaten 161
II.6.3. Das fehlende Hauptsummarium und das unaufhörliche Wuchern des Papiers 164
II.6.4. Zirkulation, Veröffentlichung und Verwendung der Ergebnisse 168
III. Rekapitulationen und Ausblicke 173
III.1. Die Hemmungen der Machine 173
III.1.1. Vom Übel der Langsamkeit 174
III.1.2. Störfälle der Benennung 174
III.1.3. Störfälle der Adressierung 176
III.1.4. Störfälle der Tabellierung 177
III.1.5. Über den Nutzen einer Beschäftigung mit Störfällen für eine Geschichtsschreibung der Techniken und Maschinen 180
III.2. Mühsal und Wahn 182
III.2.1. Die Tabellenklage 182
III.2.2. Die Klagen des Personals 183
III.2.3. Der Wille zur Beschleunigung 185
III.2.4. Wahn 186
III.3. Vermischungen 188
III.3.1. Ein kaiserlicher Imperativ: Vermischung (...) vermeiden 188
III.3.2. Vermischte Verrichtungen, concertirte Aktionen 189
III.3.3. Vermischte Untertanen 191
III.3.4. Vermischte Orte 194
III.3.5. Vermischte Kreise, Länder und Staaten 195
III.3.6. Vermischte Familien 196
III.3.7. Vermischte Namen, Religionen und Buchstaben 197
III.3.8. Vermischung und Tabelle 198
III.3.9. Vermischung und Hausnummerierung 199
III.4. Ausblicke 202
III.4.1. Probleme, die bleiben 202
III.4.2. Unordnung und Beharrlichkeit der Konskriptionsnummern 203
III.4.3. Ein militärischer Wohlfahrtsstaat? 208
Anmerkungen 221
Anhang 271
1. Tabellenverzeichnis 271
2. Historisches Material 272
3. Literatur und gedrucktes historisches Material 274
Rezensionen:
  • Die Presse, 20.10.2007, S. 44 (Anne-Catherine Simon)
  • Die Furche, 43/2007: Tantner rekonstruiert den gesamten Vorgang minutiös aus den Akten, von den Diskussionen der Regierung bis zur mühsamen Arbeit der Datenerhebung. (...) Der Historiker zitiert so ausgiebig aus den Quellen, dass deren urwüchsige Sprache seinen Text mitformt. Das erhöht den Reiz der Lektüre. (Christian Jostmann)
  • H-SOZ-U-KULT, 7.11.2007 [gedruckt in: Historische Literatur. Rezensionszeitschrift von H-Soz-u-Kult, 5.2007, S.199-201]: Der Autor hat ein abwechslungsreiches, spannend zu lesendes Buch geschrieben, das minutiöse und anekdotenhafte Anschaulichkeit mit einer klar strukturierten Gliederung und einer Vielzahl von Zugängen und Betrachtungswinkeln verbindet. (Alexander Preisinger)
  • Historicum, Herbst 2006 [sic!], S. 34-36: nicht nur kenntnisreich, sondern auch oft recht unterhaltsam; (...) Insgesamt ein lesenswerter Band. (Michael Pammer) -Anmerkungen dazu im Adresscomptoir
  • Tiroler Heimat, N.F. 72.2008, S. 294: Tirol blieb in den Jahren 1770/73 auf Grund seiner verfassungsmäßigen Sonderstellung insbesondere in der Wehrverfassung von dieser Maßnahme ausgespart. Daher finden sich auch in der vorliegenden Publikation kaum Angaben über dieses Kronland. (...). Eine detailliertere Untersuchung der Vorgangsweise in diesem regionalen Rahmen wäre sehr erwünscht. Die Arbeit von Tantner könnte dabei als ausgezeichnetes Vorbild dienen. (Josef Riedmann)
  • Bulletin d'information de la Mission historique française en Allemagne, 44.2008, S. 420-422: Écrire l'histoire du numéro de maison signifie pour A. T. écrire l'histoire de quelque chose qui ne va pas de soi - un pari relevé avec succès. Il déploie le panorama d'une action concertée des autorités en signalant les multiples obstacles auxquels elle se heurte et les échecs qu'elle connaît. (Falk Bretschneider)
  • Český Časopis Historický (ČČH), 106.2008, S. 944 - 946: Z hlediska metodologického představuje práce v dané oblasti zcela novátorský počin (...) [Vom methodologischen Standpunkt her stellt die Arbeit in diesem Fachbereich eine völlige Innovation dar (...)] (Ivana Ebelová)
  • H-GERMAN, 11.2.2009: (...) fascinating monograph (...) Overall this book offers a fascinating picture of Habsburg bureaucracy at work. The census and house numbering exercise of 1770-72 makes an intriguing case study of the encounter between the Austrian brand of enlightened absolutism and the messy realities of the societies it sought to rule. Its intent was clearly radical even if the implementation proved less so - and the follow-up even patchier. In that, however, it was typical of many of the initiatives launched by Joseph II. Tantner's thorough engagement with this exercise provides a new angle of approach to that ruler, his ambitions, and the problems he faced in implementing his vision. (Brian G.H. Ditcham)

Anton Tantner - Schrift & Wort